Vor den Gemälden von Tatsuhiko YOKOO bemerkt man schnell, dass hier kein gewöhnlicher Gestaltungswille am Werk ist. Es gibt kaum ein spürbares "ich" des Malers, das ein Objekt betrachtet, es innerlich neu komponiert und ihm schließlich eine persönlich-künstlerische Gestalt verleiht. Vielmehr repräsentieren Yokoos Gemälde etwas Überindividuelles, Umfassendes, Mächtiges und Spontanes. Was ist dieses Etwas, das hier pulsiert, fließt, tobt, explodiert und ruht? Könnte man da nicht an einen Ausbruch der urtümlichen Lebensenergie denken, die sich frei von unserem gewöhnlichen Ich-Bewusstsein in diesen überwältigenden Gebilden manifestiert?

Das Ur-Ich – so benennen wir versuchsweise den Kern dieser Energiequelle – zersprengt Grenzen und Kategorien unseres normalen Bewusstseins. Dies ist das Ich, das mit allem eins sein will, das keine Unterscheidung der Dinge und Wesen dieser Welt kennt. Dennoch trägt dieses Ich auch das alltäglich-individuelle "ich" als eine seiner unzähligen Erscheinungsformen.

Der Maler Yokoo hat die Welt dieses Ur-Ichs durch seine Zen-Meditation entdeckt. Sein Weg dahin kann nicht einfach gewesen sein, denn um dem Ur-Ich zu begegnen muss das gewöhnliche "ich" – so sagen manche Mystiker – einmal geistig sterben. Yokoo hat um das Jahr 1980 alles aufgegeben, sogar sein eigenes "ich" als etablierten Maler, um sich dem aufsteigenden Ur-Ich bedingungslos auszuliefern. Das war für ihn die Geburtsstunde einer völlig neuen Welt – deren Früchte heute so viele Menschen in Ost und West stark faszinieren. Denn dieses Ur-Ich ist – so ahnen wir – gleichzeitig mein Ur-Ich und dein Ur-Ich. Der Maler hat die Basis unseres uranfänglichen Seins entdeckt und sie dargestellt. Deshalb ist es nicht außergewöhnlich, wenn jemand bei einer Yokoo-Ausstellung in Japan gesagt hat:

"Seltsam: diese eigenartigen Gemälde – irgendwie war das ich!"

Ja, das bin ich! – sollte diese Empfindung in unserem Herzen emporsteigen, dann sind wir gewiss auf der richtigen Spur, um das tiefste Geheimnis der Welt des Malers zu erfassen.

(Prof. Sato ist Professor für neutestamentliche Wissenschaft an der Rikkyo Universität, Tokio)